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EUTEx-Training

Das EUTEx-Projekt entwickelte das EUTEx-Framework, einen neuen Rahmen für die erfolgreiche Abkehr und bessere Reintegration von terroristischen, extremistischen und radikalisierten Straftäter*innen aus dem Rechts- und islamistischen Extremismus, einschließlich rückkehrender ausländischer terroristischer Kämpfer und ihrer Familien. Dieser neuartige Ansatz wird nun Fachkräften vermittelt, die in folgenden Bereichen arbeiten:​

  • Personal im Justizvollzug, insbesondere Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen.

  • Personal der Bewährungshilfe, insbesondere Sozialarbeiter*innen.

  • Mitarbeiter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen: wie Fachkräfte aus Nichtregierungs- und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die mit Personen in Kontakt mit dem Strafrechtssystem arbeiten.

Das Problem

Bei ihren Bemühungen zur Rehabilitation und Reintegration von gewalttätigen extremistischen Straftäter*innen (VEOs)  stehen Justizvollzug und Bewährungshilfe vor komplexen Herausforderungen.

Dazu gehören:

  • Die Identifizierung und Bearbeitung der Motivationen, die zur Gewaltanwendung aus politischen oder religiösen Zwecken führen.

  • Die Behandlung psychischer Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit Radikalisierung und Gewalt.

  • Der Aufbau einer Arbeitsbeziehung zu solchen Klient*innen, nachdem anfängliche Bedenken ausgeräumt wurden.

  • Die Erzeugung der inneren Veränderungsmotivation zur Einleitung und Beibehaltung der Rehabilitation.

  • Die Anpassung kognitiver Verhaltenstherapie-Techniken für die Rehabilitation von VEOs.

  • Die Arbeit mit radikalisierten Frauen und Kindern, die mit gewalttätigem Extremismus in Verbindung stehen.

  • Die Einbeziehung betroffener Gemeinschaften in die Lösungsfindung.

Die Lösung 

Als Reaktion auf diese Herausforderungen entwickelt und stärkt der EUTEx-Kurs spezifische und fortgeschrittene Kompetenzen bei europäischen Fachkräften aus Justizvollzug und Bewährungshilfe, die an der Rehabilitation dschihadistischer und rechtsextremistischer Straftäter*innen arbeiten.

Der EUTEx-Kurs besteht aus drei Modulen, die sich um folgende Kernachsen gliedern:

  1. Radikalisierung und Risikobewertung.

  2. Rehabilitation und Reintegration.

  3. Arbeit mit Frauen, Minderjährigen und Gemeinschaften.

 

Der EUTEx-Kurs verfolgt einen kompetenzbasierten Ansatz, der die spezifischen Bedürfnisse der Fachkräfte adressiert, um eine umfassende und abgerundete Schulung zu gewährleisten. Ziel ist es, nicht nur eine robuste Wissensgrundlage zu schaffen, sondern auch wesentliche Fertigkeiten zu kultivieren und indirekt die notwendigen Haltungen für eine effektive Arbeit in diesem Feld zu fördern.

Kursstruktur

Der Kurs kombiniert eine Online-Studienkomponente mit einer Präsenzkomponente (offline) , die persönlich oder per Videoanruf durchgeführt werden kann.

Im Online-Teil greifen die Lernenden über eine speziell für diesen Kurs von europäischen Expert*innen entwickelte elektronische Plattform auf theoretische Kapitel zu. Der Kurs profitiert von Dozent*innen aus verschiedenen Bereichen (Psychologie, Psychiatrie, Sozialarbeit, Kriminologie, Politikwissenschaft, Geschichte, Journalismus) und Ländern (z. B. Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien, Albanien, Schweden, Portugal) , um ein umfassendes Verständnis des gewalttätigen Extremismus zu gewährleisten. Der Wissenserwerb wird am Ende jedes Kapitels durch Übungen und Tests überprüft, sodass die Teilnehmer*innen ihren Fortschritt sehen können. Der Kurs zielt nicht nur darauf ab, die komplexe Natur des gewalttätigen Extremismus zu erfassen, sondern lehrt auch unmittelbar anwendbare praktische Fertigkeiten.

Die Präsenzkomponente des Kurses (Face-to-Face) konzentriert sich auf die Entwicklung von Haltungen und die konkrete Anwendung von Methoden. Sie beinhaltet die Schulung im Umgang mit dem EUTEx-Risiko- und Stärkenbewertungsinstrument.

Der Kurs wird in Englisch unterrichtet und jeder Kurs bietet Platz für maximal 25 Teilnehmer*innen.

Trainingsmodule

Erstes Modul – Radikalisierungsprozess & Risikobewertung

Eine Online-Komponente dieses Moduls führt zunächst in die zentralen Konzepte zu Radikalisierung, Extremismus und Terrorismus ein. Anschliessend wird der Radikalisierungsprozess thematisiert, einschliesslich des sozialen und individuellen Kontexts, der motivationalen Faktoren, die zur Anwendung ideologisch begründeter Gewalt beitragen, sowie der Bedürfnisse, die durch Rekrutierende gezielt angesprochen oder ausgenutzt werden. Zudem wird die Rolle sozialer Beziehungen beleuchtet. Auch die Zusammenhänge zwischen psychischen Belastungen und Radikalisierung werden untersucht. Abschliessend dient das erste Modul dazu, Teilnehmende mit Zielen und Funktionen von Risikobewertungsinstrumenten vertraut zu machen und das im Rahmen von EUTEx entwickelte eigene Tool vorzustellen.

Das erste Modul umfasst zudem ein Face-to-face Training über zwei Tage und idealerweise Studienbesuche an einem dritten Tag. In einem ersten Training im Jahr 2023 fanden die Face-to-face Einheiten des ersten Moduls in Wien statt und beinhalteten einen Besuch der Justizanstalt Josefstadt sowie einen Besuch im Justizministerium, wo österreichische Fachkräfte aus Bewertung und Rehabilitation die von ihnen eingesetzten Instrumente und Programme präsentierten.

Ziele des ersten Moduls:

  • Verständnis und klare Unterscheidung der Konzepte Radikalisierung, Extremismus und Terrorismus

  • Festigung und Erweiterung des Wissens über Radikalisierungsprozesse, ihren Kontext, individuelle Motivationen und deren gezielte Nutzung durch Rekrutierende

  • Analyse der Bedeutung sozialer Bindungen für Prozesse, die zur Unterstützung oder Ausübung von Gewalt führen

  • Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Radikalisierung und psychischen Gesundheitsproblemen

  • Überblick über zentrale Konzepte der Risikobewertung im Bereich der Prävention und Bekämpfung gewalttätigen Extremismus (P/CVE) sowie ihrer praktischen Relevanz für Rehabilitationsprozesse

  • Verständnis der verschiedenen Dimensionen und Elemente des EUTEx Risk & Strength Assessment Tool

  • Einführung in die konkrete Anwendung des Tools

Zweites Modul – Zentrale Aspekte von Rehabilitation und Reintegration

Im zweiten Modul vermittelt der Kurs Wissen und praktische Kompetenzen zu Besonderheiten der Fallarbeit mit extremistischen Inhaftierten. Dies betrifft insbesondere den Aufbau funktionaler Arbeitsbeziehungen, die Durchführung von Motivational Interviewing sowie die Entwicklung und Anwendung kognitiv-verhaltens-therapeutischer Interventionen im Hinblick auf Abkehr und Reintegration.

In einem ersten Training im Jahr 2023 fanden die Präsenzeinheiten des zweiten Moduls in Stockholm statt und umfassten einen Besuch der Einrichtungen des schwedischen Straf- und Bewährungsdienstes Kriminalvården. Dort stellten schwedische Fachkräfte, die in der Rehabilitation und Reintegration extremistischer Inhaftierter tätig sind, den kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz vor, den sie in der Arbeit mit dieser Zielgruppe anwenden.

Ziele des zweiten Moduls:

  • Festigung und Vertiefung von Wissen zur Rehabilitation extremistischer Straftäter*innen mit Fokus auf Abkehr und soziale Stabilisierung

  • Anwendung wirksamer Methoden zur Entwicklung tragfähiger Arbeitsbeziehungen im Kontext von Abkehr und Reintegration

  • Verständnis der Nutzung kognitiv-verhaltenstherapeutischer Elemente zu Rehabilitationszwecken

  • Einführung in die zentralen Bestandteile des Entré-Programms, das als Ausstiegsprogramm des schwedischen Straf- und Bewährungsdienstes fungiert

  • Verständnis der wirksamen Anwendung von Motivational Interviewing als rehabilitative Methode im Umgang mit gewalttätigen extremistischen Straftäter*innen

Drittes Modul – Arbeit mit Frauen und Kindern

Im dritten Modul befassen sich die Teilnehmenden mit weiteren relevanten Dimensionen der Arbeit mit extremistischer Klientel. Besonderes Augenmerk gilt den spezifischen Anforderungen der Arbeit mit Frauen und Minderjährigen, die mit gewalttätigem Extremismus in Verbindung stehen, einschließlich Risikoerkennung, Abkehr und Reintegration. Das Modul befasst sich auch mit der Arbeit mit betroffenen lokalen Gemeinschaften.

In einem ersten Training im Jahr 2023 fanden die Präsenzeinheiten des dritten Moduls in Tirana (Albanien) statt. Die praktischen Einheiten konzentrierten sich auf die Anwendung verschiedener relevanter Techniken für die Arbeit mit Frauen und Kindern im Kontext gewalttätigen Extremismus, darunter Genogramme, Familienkarten, Zeitlinien, Skulpturen (Familienbrett mit Holz- oder Playmobilfiguren) und Ressourcenteams. Der Studienbesuch bot Teilnehmenden zudem die Möglichkeit, unmittelbar Einblicke in die Arbeit albanischer zivilgesellschaftlicher Organisationen zu erhalten, die im Bereich der Rehabilitation und Reintegration von Individuen und Gemeinschaften tätig sind, die von Extremismus betroffen sind.

Ziele des dritten Moduls:

  • Verständnis der Bedeutung von Gemeinschaftsbeteiligung im Reintegrationprozess von Rückkehrenden und ehemaligen extremistischer Straftäter*innen

  • Unterstützung beim Aufbau von Wissen zu Empowerment und Zusammenarbeit mit Gemeinschaften im Kontext von Abkehr und Reintegration

  • Verständnis geschlechtsspezifischer Radikalisierungs- und Abkehrverläufe sowie der Rolle von Kindern in diesen Prozessen

  • Einführung in spezifische methodische Ansätze für die Arbeit mit Frauen in Rehabilitation und Reintegration

  • Einführung in Herangehensweisen, die die Rolle von Kindern in Reintegrationsprozessen von Erwachsenen einbeziehen

Finde mehr heraus

Wenn du mehr über den Trainingskurs, seine Verfügbarkeit und die damit verbundenen Kosten erfahren möchtest, kannst du jederzeit Kontakt mit uns aufnehmen.

EUTEx Risk & Strength Assessment Tool

Das Tool

Das EUTEx Risk & Strength Assessment Tool ist ein Instrument zur individuellen Bewertung. Es dient dazu, den Radikalisierungsgrad einer Person zu erfassen sowie den Einfluss individueller Stärken auf mögliche Maßnahmen zur Rehabilitation und Reintegration einzuschätzen. Dabei berücksichtigt das Tool sowohl kontextbezogene Faktoren auf Mikroebene, die sich unmittelbar auf die Person beziehen, als auch solche auf Meso- und Makroebene, die aus dem sozialen Umfeld der Person entstehen können. Zu diesen Faktoren zählen sowohl statische als auch dynamische Elemente, die den Rehabilitationsprozess einer Person beeinflussen können.

Das EUTEx Risk & Strength Assessment Tool folgt dem Ansatz des Structured Professional Judgement (SPJ). Es bildet einen strukturierten Prozess ab, der Fachkräfte bei einer zweistufigen Einschätzung unterstützt:

  1. Welche statischen Risikofaktoren (Mikroebene) und dynamischen Risikofaktoren (Mikro- und Mesoebene) haben zur Radikalisierung einer Person beigetragen und in welchem Ausmass?

  2. Und – unabhängig vom Risikoscore – inwiefern können vorhandene Stärken jedes dieser Risikoelemente verringern und welchen vollständigen oder teilweisen Einfluss können sie auf die Reduktion des Risikos ausüben?

 

Obwohl das Tool im gesamten Bewertungsprozess numerische Werte verwendet, liegt die zentrale Bewertungsfunktion bei den Fachkräften. Sie entscheiden über das Vorliegen von Risiko- und Stärkeelementen sowie über deren jeweilige Bedeutung und Einfluss. Das EUTEx Risk & Strength Assessment Tool ist daher kein aktuarisches Instrument, sondern ein strukturiertes, professionelles Bewertungswerkzeug.

Das Tool umfasst 39 Risikoelemente in sieben Dimensionen, die nach Typologie gegliedert sind:

Statische Elemente:

  • Historie und Fähigkeiten (sechs Elemente)

 

Dynamische Elemente:

  • Motivation (sieben Elemente)

  • Psychologisches Umfeld (drei Elemente)

  • Indoktrination und Weltbild (fünf Elemente)

  • Netzwerke (fünf Elemente)

  • In-Group-Identifikation und wahrgenommene Überlegenheit (fünf Elemente)

  • Handlungsintention (acht Elemente)

 

Zusätzlich zu den Risikoelementen enthält das EUTEx Risk & Strength Assessment Tool 20 Stärkeelemente, die – je nach Ausprägung – eine teilweise oder vollständige Reduktion der jeweiligen Risikoelemente ermöglichen können.

Das Tool folgt einem handlungsorientierten Ansatz. Das bedeutet, dass die Formulierung der Risikobewertung darauf ausgerichtet ist, welche Massnahmen ergriffen werden sollten (etwa aufmerksam bleiben, beobachten, handeln), anstatt das Risiko in Kategorien wie niedrig, mittel oder hoch einzuteilen.

 

 

 

Durch die Aggregation von Dimensionen nach Kontext (Mikro vs. Meso) oder Typ (statisch vs. dynamisch) ermöglicht das EUTEx Risk & Strength Assessment Tool Fachkräften zu erkennen, welche Gruppierungen von Faktoren ein erhöhtes Risiko darstellen und welche Stärken potenziell zur Strukturierung des Rehabilitationsprozesses genutzt werden können.

Darüber hinaus bietet die Möglichkeit, Bewertungen nach einzelnen Dimensionen vorzunehmen, die Option, Interventionspläne entweder auf Basis einzelner Elemente einer Dimension oder ganzer Dimensionsgruppen (nach Kontext oder Typ) zu entwickeln, anstatt ausschließlich auf einer Gesamtbewertung aufzubauen.

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Die Zielgruppe

Das EUTEx Risk & Strength Assessment Tool richtet sich an qualifizierte und zertifizierte Fachkräfte, die über die erforderliche theoretische und praktische Ausbildung verfügen und mit seinem Anwendungsbereich, seinen Stärken und seinen Grenzen vertraut sind. Idealerweise verfügen die Anwender*innen über einen Abschluss in Sozial-, Medizin- oder Verhaltenswissenschaften sowie über Erfahrung im Umgang mit forensischen Populationen, beispielsweise Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen oder Bewährungshelfer*innen. Um Fehlanwendungen zu vermeiden, sollen Interpretationen auf ein Minimum reduziert werden und auf klar erkennbaren Daten beruhen. Die Anwendung, Auswertung und Interpretation des Instruments durch nicht zertifizierte Personen ist untersagt.

 

Die Zielgruppe, die mit dem Tool bewertet wird, umfasst Personen, die wegen Terrorismus- oder gewaltbezogenen extremistischen Straftaten verurteilt wurden und sich im Strafvollzug, in der Bewährung oder in der Betreuung durch zivilgesellschaftliche oder nichtstaatliche Organisationen befinden.

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